Die Geschichte einer Freundschaft

„Och nö“, rief Strubbelrute genervt, „nicht schon wieder.“ – „Doch, doch“, antworte Marvin und nickte ernst, „für uns Wald- und Wiesenoktopusse ist eine gute Tarnung sehr sehr wichtig. Und deshalb…“ – „Musst du jeden Tag üben“, unterbrauch der kleine Fuchs seinen Freund. „Ich weiß. Aber muss das denn wirklich JEDEN Tag sein? So schwer ist das doch nun wirklich…“ – „Waas?“ rief Marvin verärgert und Strubbelrute sah, wie sich der Kopf des Wald- und Wiesenoktopusses erst rosa, dann dunkelrot und schließlich violett verfärbte, „Waas wolltest du sagen? So schwer ist das doch gar nicht?“ Marvin schnappte fassungslos nach Luft, „Dochdasistschwersehrsehrschwersogar. WennesnichtschwerwärekönnteesjajedersogarsoeinvorlauterFuchswiedu.“ Wütend verschränkte der Wald-und Wiesenoktopus 4 seiner Arme vor der Brust und funkelte Strubbelrute zornig an.
Strubbelrute erkannte, dass er sich wohl etwas verplappert hatte. Er ließ sich auf die Hinterpfoten fallen und seufzte. „Hey Marvin, so war das doch gar nicht gemeint“, sagte er in versöhnlichem Tonfall, „ich dachte nur…“ – „Jaja, du dachtest nur“, winkte Marvin ab, „Leider ist Denken nicht gerade eine deiner Stärken.“ Und nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Macht dir nichts draus, es kann ja auch nicht jeder so schlau sein, wie ein Wald- und Wiesenoktopus. Gnihi.“ Marvin lächelte selbstgefällig und jetzt war es Strubbelrute, der sich ärgerte. „Ich bin viel, viel schlauer als du“, rief der kleine Fuchs wütend und sprang auf, „und besser tarnen kann ich mich auch!“ – „Kannst du nicht“, stammelte Marvin überrascht. „Kann ich doch! Und ich werde es dir beweisen.“ Ohne Marvins Antwort abzuwarten, huschte Strubbelrute in den Wald.
„Blöder Marvin“, schimpfte Strubbelrute und schlich lustlos zwischen einigen ausladenden Sträuchern umher, „dem werde ich zeigen, wie einfach es ist, sich zu tarnen.“ Dabei fiel sein Blick auf die riesigen Blätter, die an den Zweigen der Sträucher hingen. Und plötzlich hatte er eine Idee. „Wenn ich in den Strauch krieche und mich zwischen den Blättern verstecke, findet Marvin mich nie!“ Und ohne lange zu überlegen, suchte sich der kleine Fuchs eine Lücke zwischen den Zweigen und zwängte sich hinein. Leider hatte er die Spinnenweben zwischen den Zweigen übersehen, die sich jetzt über seine Schnauze, seine Ohren und sein Fell legten. Und er hatte auch nicht die langen Dornen bemerkt, die an einigen der Zweige hingen und ihm jetzt schmerzhaft in die Seite piekten. „Aua, alles nur Marvins Schuld“, stellte er schlechtgelaunt fest.

Einige Stunden später lag Strubbelrute noch immer zusammengekauert zwischen dem Strauch. Es war eng und ungemütlich, die Spinnenweben hatten sein Fell verklebt und bei jeder Bewegung piesackten ihn die stacheligen Dornen. Aber immerhin hatte ihn Marvin noch nicht gefunden. Bestimmt war seine Tarnung einfach zu gut. Strubbelrute beschloss, dass es jetzt genug war. Marvin konnte gar nicht anders, als zuzugeben, dass sich der kleine Fuchs noch besser tarnen konnte, als der Wald- und Wiesenoktopus. Mühsam zwängte er sich wieder nach draußen und humpelte mit zerzaustem Fell aber voller Vorfreude zu der Stelle zurück, wo er Marvin verlassen hatte.

Als Strubbelrute die kleine Lichtung erreichte, war Marvin nirgendwo zu sehen. „Marvin?“ rief der kleine Fuchs so laut er konnte, und noch einmal: „Maaaarvin!“ Niemand antwortete. Der kleine Fuchs wurde unruhig. Allmählich machte er sich Sorgen um seinen Freund. „Gib zu, ich hab gewonnen“, erklang plötzlich Marvins Stimme direkt neben ihm. Verwirrt beobachte Strubbelrute, wie sich der Boden neben ihm erhob und Marvins breites Grinsen auftauchte. „Aber, aber … du hast mich auch nicht gefunden“, bemerkte der kleine Fuchs zögerlich, „wir haben beide gewonnen.“ – „Gnihihi“, kicherte Marvin, „ich habe dich gar nicht gesucht. Ich wusste, dass du irgendwann zurück kommst. Denn zum Tarnen braucht man sehr, sehr viel Geduld. Und Geduld ist auch keine, deiner Stärken.“ – „Öh“, entgegnete Strubbelrute nur und ließ sich verdattert auf die Hinterpfoten fallen. Dann musste er lachen. „Du kannst dich wirklich besser verstecken, als ich“, sagte der kleine Fuchs anerkennend. „Aber das nächste Mal…“, er tippte Marvin mit der Pfote an, „…spielen wir fangen! Du bist!“