Wie der Fuchs zu seinem Namen kam
„Gäähn“, sagte der kleine Fuchs verschlafen und reckte sich. Dann rollte er sich auf den Rücken, streckte seine vier Pfoten von sich und zappelte zum Spaß ein wenig
in der Luft. Als er sich schließlich wieder auf den Bauch gedreht hatte, spitzte er die Ohren und lauschte - nichts war zu hören. „Gut, sehr gut sogar“, dachte der kleine Fuchs, „dann kann ich
einfach noch ein paar Minütchen weiterschlafen.“ Er seufzte entspannt, suchte sich eine gemütliche Position und schloss zufrieden die Augen.
Schnüff. Plötzlich rümpfte der Fuchs die Nase. Schnüff. Seltsam, in der Luft lag ein eigenartiger, unbekannter Geruch, ein Geruch, den der kleine Fuchs noch niemals zuvor gerochen hatte. Er
rappelte sich auf und schob seine empfindliche Nase in Richtung des Höhleneingangs. Kein Zweifel, der fremde Duft kam von draußen. Nun ist es so, dass Füchse von Natur aus sehr neugierig sind,
auch unser kleiner Freund bildete da keine Ausnahme. Es dauerte deshalb nicht lange, bis er seinen Kopf vorsichtig schnüffelnd aus seiner gemütlichen Höhle schob. Um die Höhle herum erstreckte
sich ein dichter, grüner Wald, doch der Wald kam dem kleinen Fuchs plötzlich sehr fremd vor. Das Zwitschern der Vögel klang anders, die Bäume trugen Früchte, die er noch an keinem Baum gesehen
hatte und über allem lag dieser geheimnisvolle unbekannte Duft. Der kleine Fuchs kniff die Augen zusammen und schaute sich verwundert um: „Wo bin ich hier?“
„Aua! Kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst?“ Der kleine Fuchs, der sich neugierig aufgemacht hatte, um den fremden Wald zu erkunden, sprang erschrocken zur Seite. Dort, nur wenige Schritte von ihm entfernt, funkelten plötzlich 2 zornige Augen aus dem Unterholz. Dann erhob sich etwas langes, glitschiges vom Boden und fuhr tastend über die Stelle, an der der Fuchs eben noch gestanden hatte. „Alles noch in Ordnung, da hast du nochmal Glück gehabt, du Trampel.“ Noch bevor der kleine Fuchs etwas erwidern konnte, knirschte und knackte es vor ihm, der ganze Boden wölbte sich nach oben und zwischen herab rieselnder Erde und Steinchen stand plötzlich das seltsamste Geschöpf, das er jemals gesehen hatte. Das Wesen hatte 8 Arme, aber an keinem der Arme war eine Pfote zu erkennen, es hatte auch keinen Schwanz und keine Schnauze und auch Ohren waren nicht zu sehen. Dafür trug das Wesen auf dem Kopf ein Stückchen Wiese, aus dem zahlreiche bunte Blumen wuchsen. „Wer bist du denn?“ fragte der kleine Fuchs staunend, nachdem er seine erste Überraschung überwunden hatte. Das Wesen rückte sich mit zwei seiner Arme die Wiese auf dem Kopf zurecht. „Marvin, Wald-und Wiesenoktopus“, entgegnete es dann knapp.
Wie versteinert starrte der kleine Fuchs noch immer auf das seltsame Wesen, das vor ihm stand und sich als Marvin vorgestellt hatte. „Du bist ein Wald- und Wiesenoktopus?“ fragte er schließlich, „Davon habe ich ja noch nie etwas gehört.“ - „Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, entgegnete Marvin nicht ohne Stolz, „Wir Wald- und Wiesenoktopusse sind ja auch Meister der Tarnung.“ Erneut schob Marvin die Wiese auf seinen Kopf wieder in die richtige Position. Dann betrachtete er nachdenklich den Fuchs: „Aber wer bist du denn überhaupt?“ - „Öh“, entgegnete der kleine Fuchs, denn er wusste nicht, was er antworten sollte. „Was denn, was denn?“ fragte Marvin ungeduldig, „Erst trampelst du auf meinen Kopf herum und dann willst du mir noch nicht einmal deinen Namen verraten. Suchst du etwa Streit? Ich muss dich warnen, wir Wald- und Wiesenoktopusse sind sehr, sehr stark.“ Wie zur Bestätigung hob Marvin vier seiner Arme und winkelte sie an. „Nein, nein“, beeilte sich der kleine Fuchs zu versichern, „Es ist nur… ich habe keinen.“ – „Was?“ rief Marvin voller Überraschung, „Du hast keinen Namen? Aber das kann doch gar nicht sein. Jeder braucht doch einen Namen. Wie soll ich dich denn sonst rufen?“ – „Nein, ich habe wirklich keinen“, sagte der kleine Fuchs und ließ traurig die Ohren hängen. „Dann ist es echt ein großes Glück, dass du mich getroffen hast“, sagte Marvin mit wichtiger Stimme, „wir Wald- und Wiesenoktopusse sind auch sehr, sehr schlau. Und ich glaube, ich habe auch schon eine Idee.“ – „Und was für eine?“ fragte der kleine Fuchs leise. „Na ganz einfach“, antwortete Marvin fröhlich, „ich werde dir einen Namen geben.“ Der kleine Fuchs hob überrascht den Kopf: „Das würdest du für mich tun?“ – „Na klar“, sagte Marvin bestimmt, „wir Wald- und Wiesenoktopusse sind nämlich auch sehr hilfsbereit.“ Der kleine Fuchs war auf einmal sehr aufgeregt. Er spürte ein Kribbeln in der Schnauze, dass langsam über seinen Rücken wanderte. Und dann plötzlich richtete sich sein Schwanz auf und das weiße Fell an der Schwanzspitze begann ganz leicht zu zittern. „Wie nenne ich dich, wie nenne ich dich?“ murmelte Marvin nachdenklich und betrachtete den kleinen Fuchs aufmerksam von allen Seiten. „Ich habs“, rief er zufrieden, als sein Blick auf den zitternden, strubsigen Schwanz des Fuchses fiel, „ich habe einen Namen gefunden, der zu dir passt. Ab heute heißt du Fuchs Strubbelrute.“ – „Strubbelrute“, wiederholte der kleine Fuchs langsam, „ja, der Name gefällt mir.“
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